Iuxta vulgatam versionem / Zur Offenbarung des Johannes

Jakobikirche Chemnitz 10.2. – 23.3. 2014


Pfrn. Dorothee Lücke: ZU DEN BILDERN VON MICHAEL GOLLER

Zu einem Bild kann man auf unterschiedliche Weise Zugang finden, z.B. über die Kunstgeschichte oder die Psychologie –Meine Betrachtung jetzt ist ein Versuch, von der Theologie her sich den Arbeiten von Michael Goller zu nähern. Ich möchte den religiösen Hintergrund des Kunstwerks aufzeigen und Kunst und Glauben miteinander ins Gespräch bringen.
Wir betrachten die ersten vier Bilder hier vorne auf dieser Seite.
Zuerst fällt mir auf jedem dieser Bilder das Pferd mit Reiter ins Auge.
Sie sind mit leuchtenden Farben gemalt
Das erste Pferd weiß, sein Reiter gelblich, er hält eine schwarze Krone in der Hand
Das zweite Pferd rot mit einem schwarzen Reiter, der ein Schwert hält
Das dritte schwarz mit einem roten Reiter und einer Waage
Das vierte Pferd ist mit heller, etwas undefinierbarer Farbe gemalt und trägt einen schwarzen Reiter.
Der Hintergrund der Bilder ist grau und braun, er wirkt bewegt, erinnert mich an Sturm oder an Wolken.
Auch Pferde und Reiter strahlen für mich Bewegung aus, sie haben etwas kraftvolles, sie stürmen voran.
Wenn ich näher trete, erkenne ich Details, die mir aus der Ferne verborgen blieben.
Beim zweiten Bild entdecke ich links unten einen Tier mit Hörnern, vielleicht ein Stier,
beim dritten der Kopf eines Menschen –
Fenster, kleine Öffnungen im Bild fallen mir auf,
Schrift erkenne ich, auch in Großbuchstaben das Wort KOMM
Michael Goller hat diese Bilder 2011 gemalt.
Mit Ölfarben auf Leinwand.
Deutlich erkennbar ist es in unterschiedlichen Schichten gemalt.
Manches untere schimmert noch durch
oder hat durch die Vierecke Fenster bekommen,
durch sie ist zu sehen, was auf den tieferen Schichten ist.
Stücke aus dem Text aus der Offenbarung des Johannes bilden die Grundlage der Bilder. Sie tauchen immer wieder auf –
An unterschiedlichen Stellen.
Das Buch der Offenbarungen ist das letzte der Bibel und heißt auf griechisch apokalypsis, wörtl. „Enthüllung“
Es ist ein prophetisches Buch und vor allem ist es ein Trostbuch – vielleicht kennen Sie die Sätze aus dem 21. Kapitel: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.
3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
Es sollte Menschen trösten, bes. die Christen, die im Römischen Reich unterdrückt wurden, Sie litten unter Verfolgung,
Im Buch der Offenbarung wurde ihnen Gottes Heilsplan enthüllt und die Menschen so ermutigt, am Glauben an den einen Gott festzuhalten, nicht den Kaiser als Gott anzubeten.
Das Buch der Offenbarungen wollte ihnen die Hoffnung zurückgeben, sie sollten nicht aufhören, Jesus Christus in dieser Welt zu erwarten.
In einer Vision sah Johannes ein Buch mit sieben Siegeln, das weder ein Mensch noch ein Engel, sondern nur ein Lamm öffnen konnte. Und dieses Lamm steht für Jesus Christus. Beim Öffnen der ersten vier Siegel ertönt jeweils der Ruf „Komm!“ und darauf erscheinen die Pferde mit Reiter. Zuerst in weiß –Für viele Ausleger steht das Weiß für Sieg, Reinheit und Gerechtigkeit und damit für Jesus Christus. Die Generäle jener Zeit ritten häufig weiße Pferde, wenn sie eine Schlacht oder einen Krieg gewonnen hatten. Die Krone des Reiters ist als Preis zu verstehen für seinen Erfolg. Martin Luther deutet den ersten Reiter aber als erste Plage, er versinnbildlicht die Verfolgung der Tyrannen“.
Die rote Farbe des zweiten Pferds steht für Blut und den Tod durch den Krieg. Das schwarz des dritten steht für Tod und Hunger. Sein Reiter trägt eine Waage als Symbol für eine Teuerung. Eine Stimme kündigt Inflation und Hunger an.
Der vierte, fahle Reiter bedeutet Furcht, Krankheit, Niedergang und Tod. Die Reihenfolge der Reiter wurde so beim Propheten Sacharja angekündigt.
Sie bringen Verwüstung, Hunger, Elend – aber dann wird Gott rettend eingreifen.
Unten links findet sich auf jedem Bild das Symbol der Evangelisten, auch davon ist im Buch der Offenbarungen die Rede. – beim ersten der Löwe, der für Christus steht, beim zweiten der Stier, der Opfer symbolisiert, beim vierten der Kopf für den Evangelisten Matthäus und beim vierten der Adler, der für den heiligen Geist stehen kann. – die vier versinnbildlichen die Gegenwart Gottes in der Welt.
In seinen Arbeiten nimmt Michael Goller die Farben und die jeweilige Symbolik des Reiters auf,
die Kraft der Reiter, ihre Energie, den Sturm, den sie mitbringen, ist für mich zu spüren. Die intensiven Farben zeigen für mich die Radikalität dessen, was passiert.
Die 4 Reiter auf diesen Bildern haben für mich etwas leidenschaftliches.
Und in dem Wort „Leidenschaft“ steckt ja auch das Wort Leiden. Wer liebt, macht sich verletzbar, verwundbar und angreifbar. Wer liebt, strebt hin zum oder zur Geliebten, - aber wenn er bei ihm oder ihr ist, muss er vom Pferd steigen, die Rüstung ablegen und das Schwert.
Wer liebt, der öffnet sich, wer liebt der leidet auch immer. Ich leide nicht an jemandem, der mir eigentlich egal ist. Der Satz „ich kann dich leiden“ ist in der unserer Sprache eine der zärtlichsten Liebeserklärungen – ich liebe dich so sehr, dass ich auch das Leiden an dir aushalten kann und will.
Die Worte der Offenbarung verschwinden auf den Bildern hinter den Farbschichten und tauchen bruchstückhaft wieder auf. Ich schätze an Michael Gollers Arbeiten die ehrliche Auseinandersetzung mit diesen Texten und Themen. Immer wieder übermalt er, ringt er mit den Fragen, er will nicht gefallen und ist manchmal sperrig. Seine Arbeiten fordern auch mich dazu heraus, nicht aufzuhören zu fragen, mich nicht mit einfachen Antworten zufrieden zu geben, sondern auf der Suche zu bleiben. Meiner Wahrnehmung nach ringt der Künstler in seinen Arbeiten um ein Dazwischen, und das spricht mich sehr an. Er hat mir gesagt, dass beim Malen – und auch beim Betrachten des Bildes – ein Zwischenraum entstehen kann, eine neue Dimension, die nur auf diese Weise sein kann: im Dazwischen, im Dialog.
Komm heißt es im Text – KOMM findet sich auch auf den Bildern in Großbuchstaben. Diese Buchstaben haben für mich etwas Aufforderndes, Herausforderndes. Und damit passen sie für mich in Jesu Botschaft, der uns immer wieder herausruft, aus dem Gewohnten, der uns zuruft: Komm! Lass deine Sicherheiten hinter dir, lasse dich ein auf mich, und meine verändernde Kraft. Widersetze dich den Gesetzen dieser Welt, wo der Stärkste sich durchsetzt, wo Gewalt und Macht herrscht. Bleib auf der Suche nach dem, was dein Leben wirklich trägt, stell dich ehrlich den Fragen.
Lass dich ein auf meine Botschaft: Ich mache alles neu. Rechne mit meiner Gegenwart und lass dich anstecken von meiner bedingungslosen Liebe. Komm!