St. Johannis: "Das Gleichnis vom Gastmahl", 2010, Öl auf Leinwand, 110 x 230 cm

      
St. Matthäus: "Das Gastmahl des Ijob", 2009, Öl auf Leinwand, 110 x 230 cm

      
St. Jakobi: "Gastmahl, eucharistisch", 2010, Öl auf Leinwand, 110 x 230 cm
      
„Es war ein Mann im Lande Uz,
      der hieß Hiob.
      Der war fromm und rechtschaffen,
      gottesfürchtig und mied das Böse.
      Und er zeugte sieben Söhne und drei
      Töchter,
      und er besaß siebentausend Schafe,
      dreitausend Kamele,
      fünfhundert Joch Rinder und
      fünfhundert Eselinnen und noch sehr viel Gesinde,
      und er war reicher als alle, die im
      Osten wohnten.
      Und seine Söhne gingen hin und machten
      ein Festmahl,
      ein jeder in seinem Hause an seinem
      Tag,
      und sie sandten hin und luden ihre drei
      Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.
      Und wenn die Tage des Mahles um waren,
      sandte Hiob hin und heiligte sie…“ (Hiob 1, 1-5a)
    
So beginnt das Buch Hiob,
      ein Buch aus dem Alten Testament.
      Es hat dem Bild seinen Namen und sein
      Thema gegeben.
      „Das Gastmahl des Ijob“ heißt es,
      wobei Ijob die lateinische Bezeichnung für Hiob ist.
      Michael Goller, Künstler in
      Chemnitz-Altendorf, hat es gemalt.
      Zu einem Bild kann man auf
        unterschiedliche Weise Zugang finden, z.B. über die Kunstgeschichte
        oder die Psychologie –
        Meine Betrachtung ist ein Versuch,
        von der Theologie her sich dem Bild zu nähern.
        Ich möchte den religiösen
        Hintergrund des Kunstwerks aufzeigen und Kunst und Glauben
        miteinander ins Gespräch bringen.
    
Das Bild betrachtend
      sehe ich viel weiß.
      Darauf kleine dunkelgraue Vierecke.
      Hinter dem Weiß, dass mich an eine
      Wolke oder Rauch erinnert,
      erkenne ich in der oberen Bildhälfte
      graue Figuren,
      hockend
      wie in einem Halbkreis
      Neben weiß und grau entdecke ich
      kleine bunte Fragmente
      in blau,
      grün
      schwarz und rot.
      Unten links verfärbt sich das weiß
      rosa.
      Schwarze oder weiße Striche an
      unterschiedlichen Stellen auf dem Bild
      Erinnern an Schriftzeichen.
    
Mich macht das Bild neugierig,
      es weckt viele Fragen in mir,
      gleichzeitig hat es für mich etwas
      Heiteres und Beruhigendes durch die hellen Farben.
    
Michael Goller hat das Bild 2009
      gemalt.
      Mit Ölfarben auf Leinwand.
      Deutlich erkennbar ist es in
      unterschiedlichen Schichten gemalt.
      Manches untere schimmert noch durch
      oder hat durch die Vierecke Fenster
      bekommen,
      durch sie ist zu sehen, was auf den
      tieferen Schichten ist.
      Das Bild wuchs über ein halbes Jahr -
      „ein Bild malen, ist wie auf eine
      Reise gehen“ sagt der Künstler.
      Man weiß am Anfang nicht, was am Ende
      der Reise sein wird.
      Manches kann man planen, aber wie sich
      die Reise anfühlt, was man erleben wird, bleibt unberechenbar, und
      am Ende ist man ein anderer als zu Beginn.
      Michael Goller hat immer wieder etwas
      übermalt auf seiner Reise mit dem Thema Hiob.
      Das Bild wuchs allmählich.
      Am Anfang hat er die ersten sechs Verse
      der Geschichte von Hiob auf die Leinwand geschrieben.
      Sie bildet somit die Grundlage des
      Bildes.
      Er schrieb sie auf Latein,
      in der Sprache der Vulgata,
      einer frühen Übersetzung des
      Hiobbuches.
      Und er schrieb sie in seiner eigenen
      Schrift
      für den Betrachter nicht einfach
      lesbar.
      Dann wischte er einen Teil des Textes
      wieder weg,
      ein Teil blieb stehen.
      Stücke aus dem Text tauchen immer
      wieder im Bild auf –
      In heller Schrift auf grau in den
      fensterartigen Vierecken.
      Der Text wirkt so graphisch auf mich
      als Betrachterin.
      Und die Schriftzeichen erinnern, die
      Michael Goller auch von rechts nach links schreibt,
      an hebräische Buchstaben,
      an die Sprache, in der die
      Hiobgeschichte ja auch ursprünglich erzählt und aufgeschrieben
      wurde.
    
Hiobs Geschichte hat den Künstler
      berührt,
      er fand sich und seine damalige
      Lebenssituation in ihr wieder. –
      Die Gestalt des Hiob hat er ins Zentrum
      des Bildes gemalt,
      jetzt ist sie nicht mehr sehen,
      aber Hiob ist untendrunter, wirkt von
      unten.
      Andere Teilnehmer an Hiobs Gastmahl
      sind noch zu erkennen,
      hockenden Figuren hier oben im
      Halbkreis,
      Menschen ohne Gesichter,
      jeder von uns könnte einer von ihnen
      sein.
    
Hiobs Schicksal ist wohl den meisten
      von uns bekannt.
      Ihm ging es gut,
      er war reicher als alle, die im Osten
      wohnten,
      aber plötzlich wurde ihm alles
      weggenommen.
      Durch verschiedene Unglücksfälle
      verlor er seinen Besitz,
      und bei einem großen Sturm wurde das
      Haus zerstört, in welchem Hiobs Kinder ein Gastmahl miteinander
      feierten.
      Alle starben.
      Ihm wurde alles kaputt gemacht.
      Kein Geld.
      Keine Freunde.
      Keine Familie.
      Er blieb allein zurück.
      Und fragte sich, warum ihm das
      passierte.
    
Hiobs Geschichte entstand zu einer
      Zeit, als den Menschen der Glaube an Gott immer größere Rätsel
      aufgab.
      Bisher waren sie davon ausgegangen,
      dass gute Taten von Gott belohnt würden, schlechte aber zu einer
      Bestrafung führen. (Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst
      hinein – dies ist ein Spruch aus der Bibel, der das ausdrückt.)
      Wenn jemand Schweres erlebte, krank
      wurde oder Verluste erlitt, wurde dies damit erklärt, dass die
      Leidenden bestraft würden, für Schlechtes, das sie getan hätten.
      Im Buch Hiob wird dies angezweifelt.
    
Hier findet sich die Erfahrung, dass es
      nicht so einfach aufgeht.
      Auch wer an Gott glaubt, erlebt Leid
      und Schmerz – und es gibt Menschen, die leben total ungerecht, und
      denen geht es gut.
      Es gibt Leid, das ungerecht ist, das
      wir nicht verstehen.
      Leid, das nicht als eine Strafe Gottes
      verstanden werden kann.
      Die Hiobgeschichte erzählt das ganz
      deutlich,
      Hiob ist nicht Schuld an dem, was er
      erlebt.
      Eine Wette im Himmel führte ihn in
      diese schwere Situation.
      Und im Verlauf des Buches fragt Hiob
      deshalb Gott an und klagt ihn an: Wieso geschieht mir das? Wieso hast
      du mir das angetan?
      „So wahr Gott lebt, der mir mein
      Recht entzog,
      und der Allmächtige, der mich
      verbittert,
      fürwahr, meine Lippen reden nichts
      Schlechtes,
      und meine Zunge spricht keinen Trug…
      An meiner Unbescholtenheit halte ich
      fest und gebe sie nicht auf, … (Hiob 27, 2.4-6)
    
Hiob klagt die uralte Menschheitsklage
      über das Leben,
      Menschen müssen hart arbeiten,
      zu kurz ist das Leben,
      unerklärlich sind Krankheiten,
      Verluste und Schmerz.
      Und Gott ist verborgen, nicht zu
      finden,
      es ist nicht zu verstehen, wie er das
      zulassen kann.
      Hiob stellt stellvertretend für uns
      die Menschheitsklage.
      Das Recht, seinen Schmerz zu äußern,
      lässt er sich nicht nehmen.
      Und er weicht der verzweifelten
      Wahrheit nicht aus – fragt, wo ist Gott in all dem?
      Das bewegendste an der Hiobgeschichte
      für mich ist,
      dass er Gott dabei begegnet.
      Gott nimmt die Herausforderung Hiobs an
      und antwortet ihm.
      Allerdings verzichtet er darauf, sich
      zu erklären oder zu rechtfertigen,
      er bleibt ein Geheimnis,
      und es bleibt auch verborgen, warum
      Hiob leidet.
      Gott verweist einfach auf seine
      Schöpfung, auf das Alltägliche, das sich immer wieder ereignet.
      Und Hiob genügt die Erfahrung: Gott
      wendet sich mir zu.
      Er würdigt mich als Gegenüber,
      meine Klagen treffen auf offene Ohren.
    
Hiob ist für mich ein Beispiel dafür,
      dass es wichtig ist, ehrlich im Glauben zu sein,
      die Fragen nicht einfach zu schlucken,
      sondern zu stellen,
      Gott auch anzufragen, wenn wir etwas
      nicht verstehen –
      Hiob ist im Gespräch geblieben mit
      Gott,
      seine ganze Traurigkeit hat er ihm vor
      die Füße geworfen.
    
Er ist ein Mensch, der von Gott eine
      Antwort erhält.
      Weil er hartnäckig ist,
      weil er beharrt an dem, was ihm wichtig
      ist.
    
Er glaubt nicht an Gott, um als
      Belohnung ein gutes Leben zu erhalten.
      Sondern sagt „Ich bin nackt von
      meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren.
      Gott hats gegeben, Gott hats genommen, der Name Gottes sei gelobt.“
      Für Hiob ist es möglich, von Gott
      nicht nur das Gute anzunehmen, sondern auch das Böse in seinem
      Leben.
      Dass Hiob so an seinen Überzeugung
      festhält, hat Michael Goller beim Malen dieses Bildes fasziniert,
      er hat sich in Hiobs Situation wieder
      gefunden.
      Und auch ich als Betrachterin finde
      mich auf diesem Bild wieder.
      Ich kenne die Erfahrung, die es für
      mich ausdrückt:
      Ein Gastmahl,
      ein gemeinsames Festessen findet statt,
      für mich ist das ein Höhepunkt des
      Lebens –
      mit Menschen, die ich gerne habe, sitze
      ich gemeinsam am Tisch,
      wir genießen etwas miteinander,
      und tauschen uns aus.
      Und plötzlich wird alles anders
      mitten im Leben,
      alles hat doch funktioniert?
      Von heute auf morgen bricht alles
      auseinander,
      ich bin im Sturm,
      alles wird durcheinander gewirbelt,
      ich kann nicht sehen, wie es
      weitergeht,
      alles, was war, ist nicht mehr.
      Der Sturm macht alles kaputt,
    
aber er hat auch etwas heilsames,
      das finde ich in den hellen Farben
      und bunten kleinen Fragmenten auf dem
      Bild angedeutet.
      Alles ist nun wieder möglich,
      neu,
      offen,
      ich bin nicht festgeschnürt in feste
      Strukturen,
      die Zukunft liegt wieder weit vor mir,
      neue Wege, neue Chancen tun sich auf.
    
Das Weiß im Bild lädt mich dazu ein,
      es mit meinen Farben zu füllen.
    
Und es gibt die Vierecke, die bleiben –
      an sie kommt der Sturm nicht heran
      Da ist etwas untendrunter, was mich
      trägt –
      In geometrischen, festen, verlässlichen
      Formen.
      Für mich ist es die Überzeugung,
      dass wir gehört werden,
      wie Hiob,
      jemand wartet auf unseren Widerspruch,
      Er regiert die Welt nicht nach
      unabänderlichen Gesetzen,
      sondern ist lebendig.
      Weiß, wie wir uns fühlen.
      ist bei uns, auch in den Stürmen des
      Lebens.
      Er stellt sich auf unsere Seite,
      hält den Schmerz mit aus.
      Er gibt keine theoretische Erklärung
      für das, was uns passiert,
      aber er teilt unser Leiden,
      denn er weiß, was das heißt.
      Er begegnet uns, wenn wir nach ihm
      verlangen.
    
Wie auf Hiob
      wartet auf uns ein Segen.
      Darauf lasst uns hoffen.
    
„Und Hiob lebte danach 140 Jahre und
      sah Kinder und Kindeskinder bis in das vierte Glied.
      Und Hiob starb alt und lebenssatt.“
    
    
Meditation
        zu „Gastmahl eucharistisch“ von Michael Goller, im Kunstgottesdienst in
        der St. Jakobikirche, Chemnitz 7.7.2013
    
      Ein besonderes Gastmahl hielt Jesus mit seinen Jüngern kurz vor seinem
      Tod. 
      Sie feierten miteinander das Passafest. 
      Jesus setzte sich zu Tisch mit ihnen, und sie aßen gemeinsam das
      Passahlamm, die Bitterkräuter und die anderen dafür vorgeschriebenen
      Speisen.
      Wie zum Passahfest üblich erinnerten sie sich daran, wie Gott ihre
      Vorfahren aus Ägypten befreite, aus der Knechtschaft und Unterdrückung.
      Was dabei – zusätzlich zum Passahfest – passierte, erzählt das
      Lukasevangelium folgendermaßen. Ich lese uns aus dem 22. Kapitel: Und
      er nahm das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Das
      ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.
      
      Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist
      der neue Bund1 in meinem Blut, das für euch vergossen wird! 
      Danach beendeten sie das Essen und gingen sie hinaus an den Ölberg, in den
      Garten Gethsemane, wo Jesus festgenommen wurde.
      Aufgrund dessen feiern Christen bis heute miteinander Abendmahl, oder
      anders ausgedrückt, die Eucharistie, was „Dank sagen“ bedeutet.
      Dieses Ereignis hat dem Bild, was wir hier vor uns sehen, seinen Namen und
      sein Thema gegeben:
      „Gastmahl eucharistisch“ heißt es.
      Michael Goller, Künstler in Chemnitz-Altendorf, hat es gemalt.
      Zu einem Bild kann man auf unterschiedliche Weise Zugang finden, z.B. über
      die Kunstgeschichte oder die Psychologie –
      Meine Bildpredigt jetzt ist ein Versuch, von der Theologie her sich diesem
      Bild zu nähern. 
      Ich möchte den religiösen Hintergrund des Kunstwerks aufzeigen und Kunst
      und Glauben miteinander ins Gespräch bringen.
      
      Wenn ich das Bild betrachte,
      sehe ich zuerst viel rosa und weiß.
      Darauf fünf dunkelgraue Striche, die sich teilweise kreuzen.
      Auf den Strichen weiße Zeichnungen.
      Das Weiß und rosa in der oberen Bildhälfte erinnert mich an Wolken durch
      die blauen Bereiche dahinter.
      Dazwischen erkenne ich graurosa Figuren, die in einer Reihe sitzen oder
      stehen.
      In der unteren Bildhälfte sehe ich viele geschwungene Linien, kräftig
      gemalt in weiß, violett, rot und grün.
      Manche sehen aus wie Trinkgefäße.
      Oben rechts befinden sich schwarze Schriftzeichen, Buchstaben, die ich
      nicht kenne.
      In der Mitte oben drei kleine Vierecke, wie Fenster mit Zeichnungen
      dahinter.
      Mich macht das Bild neugierig,
      es weckt viele Fragen in mir,
      gleichzeitig hat es für mich etwas Heiteres und beschwingtes durch die
      hellen Farben und die Bögen.
      
      Michael Goller hat „Gastmahl, eucharistisch“ 2010 gemalt.
      Mit Ölfarben auf Leinwand.
      Das Bild ist in unterschiedlichen Schichten gemalt.
      Manches untere schimmert noch durch
      z.B. durch die drei Viereck - Fenster,
      durch die zu sehen ist, was auf den tieferen Schichten ist.
      Michael Goller begann das Bild, indem er den Text aus dem
      Lukasevangelium, den wir eben gehört haben, auf die Leinwand schrieb.
      Er ist so die Grundlage des Bildes, wurde dann aber übermalt bei seiner
      Auseinandersetzung mit dem Thema „Gastmahl eucharistisch“.
      Die Vorstellung vom Mahl hat den Künstler intensiv beschäftigt, er hat
      2009 und 2010 mehrere Bilder zum Thema „Gastmahl“ gemalt, z.B.
      „Gastmahl des Heiligen Thomas“, „Das Gleichnis vom Gastmahl“ oder das
      „Gastmahl des Ijob“, das in der St. Matthäuskirche ausgestellt war.
      Was geschieht bei einem Gastmahl? 
      Es ist ein Ort des Austauschs, des Dialogs, des gemeinsamen Fragens und
      Suchens.
      Bei dem etwas Neues entstehen kann, das vorher nicht gewesen ist.
      Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei einem gemeinsamen Essen sich
      etwas lösen kann. 
      Meine festgefahrenen Sinne tauen auf, ich komme denen nahe, mit denen
      ich gemeinsam esse, die Fremdheit schwindet, Austausch wird möglich, 
      Jesus hat Gastmähler geliebt.
      Gemeinsames Essen, Tischrunden waren Jesus sehr wichtig. 
      Immer wieder wird von ihm erzählt, dass er mit Menschen gemeinsam
      gegessen hat, sich einladen ließ, Gastfreundschaft schätzte und
      gewährte. 
      Er hat „das Gastmahl“ auch immer wieder als Bild verwendet, um seine
      Botschaft zu verdeutlichen.
      Wahres Leben, so wie Gott es sich für die Menschen gedacht hat, stellt
      Jesus uns als Tischgemeinschaft vor, als gemeinsames Festmahl.
      Dabei ist Gott der Gastgeber und alle sind willkommen, egal, wer sie sind
      oder was sie mitbringen.
      Da gibt es keine Unterschiede zwischen arm und reich, krank und gesund,
      erfolgreich oder gescheitert, Frau oder Mann, alle sitzen mit ihm am
      Tisch. 
      Auf Augenhöhe, und alle macht er satt.
      Bei dem letzten Gastmahl vor seiner Hinrichtung hat Jesus betont: „Esst
      gemeinsam, damit ihr nicht vergesst: 
      Nehmt und esst dieses Brot, das ist mein Körper! Tut dies, sooft ihr
      davon esst,  zu meinem Gedächtnis. Nehmt und trinkt, das ist mein
      Blut.“ 
      So hat er sichtbare Zeichen seiner Gegenwart hinterlassen. 
      Vielleicht um zu verhindern, dass seine Botschaft und sein Wirken
      vergeistigt werden. 
      Er hat ja auch das Anfassbare, das Körperliche nie verachtet. Und am
      Ende seines irdischen Daseins, als er bald nicht mehr zu sehen sein
      würde, band er sich bestimmt nicht zufällig an die grundlegenden Dinge
      Wein und Brot und versprach: Ich bin da, wo ihr sie teilt, wenn ihr
      Eucharistie/Abendmahl miteinander feiert, bin ich anwesend.
      Gottesdienst und eine richtige Mahlzeit gehörten in den ersten
      Jahrhunderten der Christen von daher unbedingt zusammen.
      Eingeladen war jeder, der kam.
      Aber die Teilnahme an der Brot- und Kelchhandlung setzte voraus, die
      Botschaft von Jesus ernst zu nehmen und im eigenen Leben umsetzen zu
      wollen. 
      Wer an diesem Gastmahl teilnahm, sollte sich wirklich öffnen für die
      verändernde Kraft und nicht genauso gehen wie er gekommen ist.
      Das Abendmahl und was dabei geschieht, war und ist bis heute ein
      Mysterium, ein Geheimnis. Durch das gemeinsame „Brotbrechen“, das
      eucharistische Gastmahl stiftet Jesus auch in der Gegenwart
      Gemeinschaft über alle Unterschiede hinweg. 
      Martin Luther wollte über dieses Geheimnis nicht spekulieren.
      Er hielt einfach fest, dass Jesus „in, mit und unter“ Brot und Wein
      gegenwärtig ist – bis heute.
      
      „Gastmahl eucharistisch“ – 
      Diesen Titel des Bildes hat der Künstler in seiner eigenen Schrift von
      rechts nach links oben auf das Bild geschrieben.
      Ich verstehe das Bild als eine Auseinandersetzung mit diesem Geheimnis, 
      es ist ein Versuch, sich dem anzunähern, was bei diesem besonderen
      Gastmahl geschieht, 
      Michael Goller hat mir gesagt: Beim Malen -und auch beim Betrachten des
      Bildes- kann zwischen den einzelnen Bildebenen – im Durchbruchspunkt,
      im Zwischenraum – eine neue Dimension entstehen, eine Zwischenexistenz,
      die nur auf diese Weise sein kann: im Dazwischen, im Dialog. 
      Dies versucht er in seiner Malarbeit seit vielen Jahren zu fixieren. Er
      möchte ihr Raum innerhalb des Modellversuchs Malerei zu geben. 
      Der Zwischenraum – dem möchte er sich annähern, darum geht es ihm. Wo
      die Gegensätze zwischen Gott und Welt wieder eins werden, und dadurch
      das Leben im Einzelnen und im Allgemeinen bejaht wird. Denn alle Dinge,
      alle Gedanken sind miteinander verbunden. In allem, was wir sehen, was
      wir darstellen, was wir schmecken, kann eine lebendige Kraft, erkannt
      werden. Die Schöpfung gibt Auskunft über den Schöpfer, und ist von
      diesem nicht mehr zu trennen, wenn wir in Liebe darauf sehen.
      Gastmahl eucharistisch –
      Ich schätze am Michael Gollers Arbeiten besonders die Suche, die ehrliche
      Auseinandersetzung,
      sie will nicht gefallen,
      mich lädt dieses Suchen, Fragen, das Offene im Bild dazu ein,
      meinerseits die Suche nicht aufzugeben und meine Fragen ehrlich zu
      stellen.
      Ich möchte nicht aufhören, den Dialog zu suchen, mit dem anderen, mit dem
      in mir und mit der lebendigen Kraft.
      Als Betrachterin finde ich mich in diesem Bild wieder.
      Ich kenne die Erfahrung, die es für mich ausdrückt:
      Ein Gastmahl,
      ein gemeinsames Festessen findet statt,
      mit Menschen, die ich gerne habe, sitze ich gemeinsam am Tisch,
      wir genießen etwas miteinander,
      und tauschen uns aus.
      Dabei entsteht Verbindung,
      wir kommen miteinander und mit uns selbst neu in Kontakt, fühlen uns
      wieder,
      es hat etwas heilsames,
      das finde ich in den hellen Farben auf dem Bild angedeutet.
      Und in den kraftvollen Bögen des Bildes ist für mich die lebendige
      Kraft dargestellt, die beim Gastmahl erfahren werden kann, die
      verbindet, die kräftigt, die sogar die Dimensionen von Himmel und Erde
      überschreitet - 
      Die Menschen auf dem Bild sind ohne Gesichter dargestellt,
      jeder von uns könnte einer von ihnen sein.
      Wir alle sind eingeladen, Anteil zu nehmen, aneinander und an der
      lebendigen Kraft
      Die Fragmente und grauschwarzen Striche im Bild erinnern mich daran, wie
      gebrochen unsere Welt ist und unser Leben.
      Auch Christus und mit ihm Gott ist gebrochen, nach dem Gastmahl,
      eucharistisch, erlitt er einen furchtbaren Leidensweg und wurde getötet.
      Wir leben in dieser gebrochenen Welt mit all ihren Problemen und bringen
      sie mit an den Tisch Gottes. 
      Mit uns bringen wir unsere Sehnsucht nach Heilung. 
      Der Tisch ist der Ort, wo Jesus mit uns und der Welt mitleidet.
      Und zugleich es der Ort der Hoffnung auf das wirkliche Leben, indem wir
      gemeinsam das Brot des Lebens essen. 
      An diesem Tisch können wir ablegen und gleichzeitig werden wir gestärkt. 
      Möge das passieren, dass auch bei uns sich etwas löst, wir es lösen lassen
      durch die Begegnung mit dieser Kraft. 
      Was uns drückt und belastet, können wir hier lassen, den
      Leistungsdruck, die Unzufriedenheit, die Lieblosigkeit, unsere Sorgen –
      hier können sie wegschmelzen.
      Die Vierecke auf dem Bild, die auf die unteren Schichten des Bildes
      verweisen, verweisen auf eine Zeichnung zum Propheten Jona. Er wurde
      vom Fisch verschluckt und nach drei Tagen wieder an Land gespuckt –
      Gott hat ihn gehalten und gerettet.
      Für mich heißt das:
      Da ist etwas untendrunter, was mich trägt –
      Ich glaube, dass wir gehört werden,
      er ist lebendig.
      Weiß, wie wir uns fühlen. 
      Er stellt sich auf unsere Seite,
      hält den Schmerz mit aus.
      Er gibt keine theoretische Erklärung für das, was uns passiert,
      aber er teilt unser Leiden,
      denn er weiß, was das heißt.
      Er steht zu uns, wie zu Jona und hilft uns durch. 
      Auch heute kann ich die lebendige Kraft erfahren, wenn ich mich öffne,
      wenn ich seiner Verheißung vertraue und Brot und Wein empfange. 
      Und Gott ist da, auch wenn ich nicht glauben kann.
      Er ist „Der, der immer wartet“. Glaube besteht darin, ihn nicht länger
      warten zu lassen. Ich komme wie ich bin und lasse mich von ihm
      sättigen. 
      Sein Gastmahl, seine Nähe ist lebenbringend, er ist ja das Brot des
      Lebens, er nährt unsere Hoffnung.
      Das heißt für mich: Alles ist möglich,
      neu,
      offen,
      ich bin nicht festgeschnürt in feste Strukturen,
      die Zukunft liegt weit vor mir,
      Wege, neue Chancen tun sich auf.
      Er gibt mir dazu die Kraft,
      denn er stärkt mich und begleitet mich, wohin es auch geht.